Gesundheit als „existenzielles Gut“
Nächste Woche startet am Montag, 17.März zum 30. Mal der Kongress Armut und Gesundheit in Berlin. Das Motto „Gesundheit fördern, heißt Demokratie fördern” könnte nicht passender sein für diese Zeit. Die soziale Ungleichheit hat sich in den vergangenen Jahren weiter verschärft. Etwa 16,8 Prozent der Bevölkerung in Deutschland lebten 2022 in Armut – so steht es im Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbandes. Und zugleich erleben wir täglich die Macht von Superreichen. Denn es gibt eine erstaunliche Anzahl an Privatpersonen, die über einem Vermögen von mehr als 30 Millionen US-Dollar verfügen. Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes lebten im Jahr 2023 rund 147.950 Superreiche in den USA, in China rund 46.060, in Deutschland rund 22.210.
Das tut uns nicht gut. Denn: Extreme soziale Ungleichheiten können gesellschaftliche Ordnungen zerstören. Armut und Ungleichheit fördern einerseits den Populismus in den Gesellschaft, Populismus und antidemokratische Kräfte verschärfen andrerseits die Armut in der Bevölkerung, gefährden die Gesundheit vieler Menschen und verhindern – wie aktuell zu sehen – die Bemühungen um Umwelt- und Klimaschutz. So steht es im lesenswerten Diskussionspapier zum Kongress „Armut und Gesundheit“. Darin wird auch der Soziologe Heinz Bude zitiert: „Gesundheit ist, ähnlich wie Sicherheit, ein existenzielles Gut.“
Was ist tun? Am Mittwoch, 12.März, wurde auch der Zwischenbericht der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ veröffentlicht. Die darin aufgelisteten Reformvorschläge sind in sieben Arbeitsgruppen mit rund 50 Expertinnen und Experten erarbeitet worden. Federführend waren die ehemaligen Bundesminister Thomas de Maizière und Peer Steinbrück, die Verlegerin und Managerin Julia Jäkel sowie der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle.
Sehr interessant finde ich die Blickrichtung darin: Es werden nicht einzelne Reformbereiche von Staat und Gesellschaft in den Blick genommen, sondern vielmehr das gesamte System mit seinen vielen Sektoren und deren Verbindungen untereinander. Und – das zweite Bemerkenswerte – die vier Autor:innen konzentrieren sich vornehmlich auf die „Gelingensbedingungen“ von Reformen und nicht auf mögliche Erneuerungen von einzelnen Bereichen. Das ist geradezu ein gesundheitswissenschaftlicher Blick auf das gesamte System, auf die Ressourcen und Potentiale!
Explizit heißt auf den ersten Seiten auch, dass die Vorschläge sicherlich nicht vollständig seien. Und in der Tat fehlen mir zwei große Themen – die Neuausrichtung in der Gesundheitsversorgung angesichts von Finanzlücken und Personalnot sowie neue Konzepte für die öffentliche Kommunikationen und einen Journalismus der Zukunft. Als leidenschaftliche Gesundheitsjournalistin und Gesundheitswissenschaftlerin wünsche ich mir eine kulturelle Transformation
- zum einen hin zu einem umfassenderen gesellschaftlichen Verständnis von Gesundheit und zu einer nachhaltigen Gestaltung und gerechte Verteilung der gesundheitlichen Ressourcen sowie
- zum anderen zu neuen Formen der Medienöffentlichkeit, die Begegnung und Austausch fördern sowie einer Polarisierung und Vereinsamung in unserer Gesellschaft entgegenwirken.