Gesundheit und Stadtplanung gemeinsam denken und die Zukunft gestalten

Die Herausforderung liegt auf der Hand: Die Stadtbevölkerung wird weiterwachsen, der Klimawandel wird vermehrt Hitzetage, Starkregen und Flutkatastrophen mit sich bringen. Wie lassen Städte in Zukunft so gestalten, dass die menschliche Gesundheit gestärkt wird? Das ist eine Frage, die mich nun schon seit einigen Jahren beschäftigt. Für einen Beitrag in der Ärzte Zeitung (erschienen am 23.Jan. 2025 in der Print-Ausgabe mit dem Titel „Gesunde Raumplanung“) habe ich mit einige Expert:innen gesprochen und war auch bei der 10.Konferenz Stadt der Zukunft in Bochum-Wattenscheid dabei.

Mensch und Umwelt sind verwoben

„Es ist für unser Wohlbefinden nicht gleichgültig, in welchem Verhältnis wir zu unserer Umgebung stehen. Landschaft und Natur, die Orte, an denen wir uns aufhalten, sind wesentliche Rahmenbedingungen für ein gelingendes Leben“, sagt Dr. Thomas Kistemann, stellvertretender Direktor des Instituts für Hygiene und Public Health an der Uniklinik Bonn und Professor für Umweltmedizin und Gesundheitsgeographie. Die eigene Umwelt ist für ihn nicht bloße Kulisse für Aktivitäten, sondern vielmehr ein sozialer Ort, der bis in das Innere des Menschen hineinwirkt. Gesundheit und Gesundheitsversorgung, so Kistemann, finden an „places“ statt – an Orten, an denen Menschen leben, arbeiten, fühlen, zu Haltungen kommen und diese Räume durch ihr Handeln und Reflektieren mit Bedeutung und Sinn aufladen.

Stress in der Stadt erforschen

Einer der schon seit Jahren das gesundheitliche Risiko des Stadtlebens erforscht, ist Dr. Mazda Adli, Professor und Chefarzt der Fliedner Klinik in Berlin. Er verweist auf mehrere Studien, die belegt haben, dass Stadtbewohner ein etwa 1,4mal höheres Risiko haben, an einer Depression zu erkranken als Landbewohner. Bei einer Schizophrenie ist die Gefährdung sogar doppelt so hoch. Adlis Forschungsgruppe geht davon aus, dass vor allem die Dichte und zugleich die Gefahr von Isolation und Einsamkeit zu andauerndem sozialen Stress führen. Grünflächen im Wohnumfeld dagegen helfen dem Gehirn, den individuellen Stress zu regulieren. „Der gesundheitliche Effekt einer Grünfläche reicht weit über die direkte Nachbarschaft und den bloßen Anblick hinaus und ist bei einer Entfernung von eineinhalb Kilometern deutlich zu messen“, sagt Adli.

Nachhaltiges Leben in der Stadt

„Das Leben in der Stadt ist die innovativste und nachhaltigste Lebensform“, betont Dr. Heike Köckler. Die Professorin für Sozialraum und Gesundheit im Fachgebiet Community Health der Hochschule für Gesundheit in Bochum verweist darauf, dass ein Stadtleben viele Vorteile bietet – unter anderen auch einen guten Zugang zur gesundheitlichen Infrastruktur. Für die Zukunft komme es darauf an, die gesundheitliche Gefahren einer Stadt in den Griff zu bekommen: „Die Verkehrswende ist auch eine Gesundheitswende. Weniger motorisierter Verkehr sorgt dafür, dass wir körperlich aktiv bleiben. Wir schützen dadurch das Klima, belasten nicht die Luft und verursachen weniger Lärm.“ Nötig seien zudem „konsumfreie Orte“ schaffen, um sozialer Isolation entgegen zu wirken – Treffpunkte, an denen Begegnung stattfindet, wie etwa Parks und Grünflächen, Bibliotheken, Angebote von Kirchengemeinden oder Nachbarschaftszentren sowie Wohnbaugenossenschaften.

Der „Umzug der Menschheit“ und seine Folgen

„Wir bauen die Städte bislang so, als wären wir im letzten Jahrhundert stehen geblieben. Es sind Hitzefallen und Chemiebaukästen“, sagt Umweltmedizinerin Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann von der Universität Augsburg. Die Fachärztin für Dermatologie und Allergologie gehört seit Dezember 2023 dem wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderung (WBGU) an. Das Expertengremium erwartet, dass bis 2050 rund 6,5 Milliarden Menschen, etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung, in Städten leben werden. Dieser „Umzug der Menschheit“  werde sich auswirken – sowohl auf den Einzelnen wie auf globale Systeme. Die Lebensverhältnisse in Städten für die Zukunft gesund zu gestalten, gilt unter Umweltmedizinern und Stadtplanern daher als eine der größten Herausforderungen der Gesellschaft. Ärztinnen und Ärzte könnten „zentrale Motoren eines Kulturwandel“ sein.

Städte bei der Veränderung begleiten

Dr. Florian Koch, Professor von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin, beschäftigt sich seit Jahren mit urbanen Transformationsprozessen. Aktuell, so Koch, gibt es in der Stadtentwicklung drei zentrale Treiber: Der Klimawandel, dem mit mehr Nachhaltigkeit zu begegnen ist, die Diversität, die – befördert durch anhaltende Migration – eine positive Identifizierung mit der Stadtgesellschaft herausfordert und schließlich die Digitalisierung, die die Innenstädte erodiert und neue attraktive Angebote für die Zentren erforderlich macht. Gesunde Städte sind für ihn vor allem „nachhaltige Städte.“ Gemeinsam mit seinem Forscherteam hat er bereits mehrere Kommunen und Landkreise auf diesem Weg begleitet.

Ich selbst war Ende November 2024 beim 10.Konferenz „Stadt der Zukunft“ in Bochum-Wattenscheid dabei. Die Tagung fand auf dem Gelände der einstigen Zeche Holland statt. Es waren spannende Tage, voller Gestaltungsfreude und Ideen für eine gute gemeinsame städtische Zukunft.

 

Nach oben scrollen